Interview mit Madeline Juno
von Jana Heß
Madeline Juno, 22, ist Singer-Songwriterin und kommt aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald. Bekannt wurde
die 22-jährige durch ihre Single „Error“, die der Titelsong von Fack ju Göhte wurde. Mittlerweile hat sie drei Alben („The Unknown“, „Salvation“ und „DNA“) rausgebracht und war schon mit Adel Tawil und Ellie Goulding auf Tour. Ich hatte das große Glück meine absolute (!) Lieblingssängerin auf ihrer „DNA“-Tour in Kaiserslautern zu interviewen!
Ich habe gelesen, dass dein Künstlername „Juno“ mit einem Film zusammenhängt. Wieso hast du dich so genannt?
Madeline: Dieser Film heißt „Juno“ und ist aus 2007 und er ist meine ganze Jugend, mein ganzes Leben mein Lieblingsfilm gewesen. Es ist ein Film, den ich mir immer wieder angucke, wenn ich Stress habe oder wenn es mir nicht gut geht. Dann geht es mir besser und ich fühle mich irgendwie zu Hause. Egal wo ich gerade auf Tour bin oder wo ich gerade bin: Ich gucke den Film und dann fühle ich mich wieder in Ordnung. Juno ist auch in der römischen Mythologie die Frau von Jupiter und dafür habe ich mich immer interessiert und dachte dann: „Warum nicht?“ Es ist mein Lieblingsfilm aller Zeiten und ich interessiere mich für griechische und römische Mythologie – warum nicht?
Du hast mittlerweile – wenn man „Waldbrand“ mitzählt – vier Alben rausgebracht. Was hat sich in dieser Zeit für dich verändert?
Madeline: Alles und gar nichts, glaube ich. Alles im Sinne von dass sich die Musik im Laufe der Jahre sehr verändert hat. Erstens jetzt der Sprachenwandel von Englisch zu Deutsch. Auch die Musik ist ganz anders als am Anfang. Am Anfang war es sehr akustisch und sehr melancholisch. Zu großem Anteil ist es immer noch melancholisch, aber die Musik an sich ist jetzt viel lebendiger und lebensbejahender. Ich selbst bin über die letzten vier, fünf Jahre selbstbewusster geworden in den Lektionen, die ich lernen durfte, in all den Konzerten, die ich spielen durfte. Ich habe einfach wahnsinnig viel gelernt und meine Lektion mitgenommen und versuche, das jetzt auf mein Leben anzuwenden. Ich glaube, ich bin nicht mehr ganz so schüchtern wie mit 13, 14 oder 15 – und das ist ganz gut so! Du hast mittlerweile schon oft erklärt, warum du jetzt deutsche Songs schreibst.
Wird es jetzt dabei bleiben oder möchtest du auch wieder auf Englisch schreiben?
Madeline: Ich glaube, ich kann mich nicht so genau festlegen, weil ich mich in der Vergangenheit durchaus festgelegt und gesagt habe, dass ich nie auf Deutsch
schreiben werde und jetzt guck mal, was wir hier haben (deutet auf ihr viertes Album „DNA“, was auf dem Tisch liegt). Ich glaube, solche Türen komplett geschlossen halten möchte ich nicht. Ich schreibe immer noch sehr, sehr gerne auf Englisch – nicht nur für mich sondern auch für andere Projekte – und wer weiß? Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch weiter international arbeiten, aber hier erstmal diese deutsche Schiene fahren.
Warum hört man deine Songs so wenig im Radio?
Madeline: Da gibt es ganz viele Faktoren, die da zusammenkommen. Zum einen gibt es heutzutage wahnsinnig viele deutsche Künstler. Es gibt wahn-
sinnig starke Künstler, die quasi das „Erstrecht“ haben, gespielt zu werden. Die Konkurrenz ist wahnsinnig groß und so gesehen bin ich mit meiner deutschen
Musik, die es jetzt erst seit der Waldbrand-EP so richtig gibt, einfach noch ganz am Anfang. Und die Radiosender waren es gewohnt, dass ich auf Englisch schreibe und so unterwegs bin. Da war die Unterstützung auch eigentlich größer. Jetzt muss ich mich von vorne neu herankämpfen. Es gibt Jahreszeiten, da kommen so viele Künstler raus und da ist man als deutscher Künstler sowieso erstmal hinten angestellt. Aber wir arbeiten dran! Eines Tages gibt es Radioredakteure, die sagen „Hey, wir finden das so gut, wir spielen die jetzt trotzdem, obwohl wir Künstler A, B, C, D, E eigentlich auch spielen müssten“. Es gehört wahnsinnig viel Glück dazu, es muss das richtige Timing sein, es muss der richtige Song sein und es müssen irgendwo Lücken frei sein. Wenn einer anfängt zu spielen, machen es die meisten anderen auch. Die ganzen Radiosender gucken an, was die anderen machen und wenn zum Beispiel der MDR, WDR oder SWR das und das spielt, dann sagen die anderen vielleicht „Ach, guck mal, die haben ja den Song von der Madeline Juno gespielt, den spielen wir jetzt auch“. Und so schaukelt es sich irgendwann hoch – oder eben nicht.
Dein Song „Error“ war der Titelsong von Fack ju Göhte. Wie kam es dazu?
Madeline: Das war zum Beispiel auch Glück – ganz großes Glück sozusagen! Vielleicht Hälfte Zufall, Hälfte Glück. Wir haben irgendwann mal einen Anruf
bekommen und der Zuständige für den Soundtrack eben meinte „Wir haben hier eine Szene, bei der wir einen absoluten emotionalen Song von einer weiblichen Künstlerin brauchen und wir haben euren Song gefunden und der hat uns ganz gut gefallen. Hättet ihr Lust, darin vorzukommen und hättet ihr Lust, den Soundtrack zu machen?“ Da haben wir natürlich Ja gesagt und Luftsprünge gemacht. Es war wirklich großes Glück und Zufall – alles auf einmal. Sowas kann man aber auch nicht planen.
Mit 14 Jahren hast du deine eigenen Songs aufgenommen und die dann später auf YouTube veröffentlicht. Wie bist du darauf gekommen, das so zu
veröffentlichen?
Madeline: Ich bin darauf gekommen, weil ich mir keine andere Möglichkeit erschließen konnte. Ich wusste selber eigentlich gar nicht genau, was ich mache. Ich
komme aus einer sehr kleinen Stadt. Ich bin in einem sehr kleinen Dorf im Schwarzwald groß geworden. Da gibt’s nichts und niemanden, der einem so ein bisschen eine Starthilfe geben kann oder irgendwie sagen kann „Mach doch mal das oder mach doch mal das“. Geschweige denn gibt es da großartig Konzerte, die man sich angucken kann und von denen man lernen kann oder sowas. Also habe ich dann irgendwann mal angefangen, YouTube zu gucken und man muss sagen, das war zu einer Zeit, wo YouTube noch gar nicht das war, was es heute ist. Da gab es all diese YouTuber und diese Reichweite noch nicht. Es gab vielleicht zwei, drei deutsche Leute, die da ihre Channels hatten und ich habe dann angefangen, Musik zu machen, weil ich dachte, dass es das so noch gar nicht gibt. Das war eigentlich so der Hauptgrund, dass ich das irgendwie so zu meinem gemacht habe. Aber warum ich das gemacht habe, kann ich gar nicht sagen. Ich hatte einfach Lust drauf.
Wenn du Songs schreibst, hast du dann erst die Melodie und dann den Text oder andersrum? Und wie bildest du dir dann das, was fehlt?
Madeline: Sehr gute Frage! Es kommt immer drauf an. Ich würde sagen, meistens kommt eines mit dem anderen gleichzeitig. Meistens habe ich ein direktes Gefühl und weiß irgendwie tief in mir drin, was ich sagen will. Entweder beschäftigt mich irgendwas so sehr, dass ich den Drang empfinde, das aufzuschreiben. Dann weiß ich sowieso, was heute dran ist. Oder ich habe vielleicht schon seit zwei Tagen eine Melodie im Kopf und setze mich dann hin, habe dann aber auch gleichzeitig schon ein Gefühl, was ich schreiben will. Und dann wiederum gibt es Male, da setze ich mich einfach hin und finde erst die Melodie und packe dann den Text drauf – oder andersrum. Wenn man dann zum Beispiel eine leere Stelle hat, eine Zeile fehlt oder es fehlt zum Beispiel der C-Part - das bedeutet, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Chorus ein Part kommt, der nochmal ganz anders ist – das ist dann immer nochmal eine andere Arbeit. Wenn man eine Strophe und die Melodie hat, hat man quasi schon das Layout für die zweite Strophe – man muss nur den Text finden. Und für den Chorus geht das genauso. Nur für diesen C-Part muss man komplett neu denken. Meistens mache ich das so, dass ich mir anschaue, was ich schon habe, wohin meine Geschichte bis jetzt geht, was ich bis jetzt gesagt habe ... und was fehlt mir noch? Was möchte ich noch sagen? Was habe ich noch nicht gesagt oder welche Moral oder welcher Abschluss soll dieser Song haben? Und dann packe ich das da rein und so fügt sich das zusammen – wie so ein Puzzle.
Wie lange dauert die Vorbereitung auf eine solche Tour?
Madeline: Dieses Mal haben wir sehr, sehr ausführlich und auch sehr lange geprobt. Wir haben uns, glaube ich, zwei Mal jeweils eine Woche lang getroffen und dann auch vor der ersten Show nochmal einen ganzen Tag lang mit unserem Soundtechniker geprobt. Das war jetzt die größte Vorbereitung. Jeder hat sich für sich vorbereitet, bevor wir uns überhaupt getroffen haben. Jeder hat alles Mögliche geübt und gelernt und ich habe diese Lichter gebaut – das hat mich auch nochmal einen Monat gekostet. Wir - beziehungsweise ich - haben das ganze Design für den Backdrop (Anm. d. Red.: Hintergrund) gemacht – das hat mich auch nochmal Zeit gekostet. Aber alles in allem so zwei, drei Wochen mit täglichen Proben.
Nimmst du dir Dinge von zu Hause mit auf Reisen, die du dir dann zum Beispiel ins Hotelzimmer stellst?
Madeline: Ich habe eigentlich immer diese Juno-DVD dabei. Dieses Mal habe ich sie vergessen. Ich habe die eigentlich bei jeder Tour dabei, einfach für den Fall, dass ich total emotional bin. Dann kann ich die einfach in meinen Laptop einschmeißen und mich dann wieder gut fühlen. Es sind so kleine, banale Dinge, wie meine Lieblingsflauschsocken von meiner Oma oder mein Lieblingsschal von meiner Mama. Und das reicht schon, um mir einen Halt zu geben.
Wenn du dann wieder von einer längeren Reise nach Hause kommst, hast du dann ein Ritual, das du machst?
Madeline: Bis jetzt war es bei jeder Tour eigentlich so, dass wir meistens nach der Tour erstmal nichts hatten. Dann habe ich mir erst gesagt „Okay, jetzt fahre ich nach Hause“. Seit ich 18 bin – ich bin jetzt 22 – lebe ich nicht mehr bei meinen Eltern. Sie leben im Schwarzwald und ich lebe in Berlin. Allein das ist schon eine große Strecke. Dann sieht man sich sowieso schon nicht so oft und dann fahre ich nach einer Tour meistens nach Hause. Für ein paar Tage oder bestenfalls eine Woche und mache echt so ein bisschen Auszeit. Mit einer Tour geht meistens so ein Jahr zu Ende. Ein Jahr voller Songwriting, voller Promo und TV und Radio und dann eine Tour und dann brauche ich ein bisschen Auszeit.
Wie viele Tage im Jahr bist du unterwegs?
Madeline: Das ist auch sehr unterschiedlich. Letztes Jahr war ich gar nicht so viel unterwegs. Dieses Jahr ging es. Wenn es bombastisch läuft, kann man schon so 100 oder 120 Tage im Jahr unterwegs sein – vielleicht sogar mehr, vielleicht weniger. Kommt immer drauf an. Dieses Jahr war ich viel auf Reisen, war dann zum Beispiel eine Woche lang in England oder eine Woche lang in Norwegen, um dort zu schreiben und zu arbeiten. Aber ich glaube, wenn es gut läuft, so 100 bis 120 Tage – mal weniger, mal mehr.
Wirst du oft auf der Straße erkannt?
Madeline: Auch das ist sehr unterschiedlich. In meiner Heimat ja, in Berlin auch. Jetzt immer mehr, was ich nicht geglaubt hätte. In Hamburg auch. Aber im Rest eher nicht so. Ich glaube, da bin ich noch zu Indie sozusagen.
Findest du das gut, wenn du erkannt wirst?
Madeline: Ich bin da sehr zwiegespalten. Ich freue mich natürlich sehr, weil ich dann immer denke „Ach, cool! Ist ja verrückt, dass man zu mir ein Gesicht hat und dass man mich erkennt“. Andererseits kann es manchmal auch ein bisschen gruselig sein. Ich weiß zum Beispiel, dass es in Berlin ein paar Leute gibt, die mittlerweile wissen, wo ich wohne oder wissen, wer meine Freunde sind. Wenn das nur mich betrifft, ist es ja okay. Ich weiß ja, wie ich damit umgehe. Aber manchmal geraten solche Dinge außer Kontrolle und man denkt „Das wäre jetzt irgendwie cool, wenn keiner wüsste, wer ich bin“. Aber dann wiederum passiert
das so selten im Verhältnis, dass es eigentlich alles machbar und durchstehbar ist.
Wie bist du darauf gekommen, das Puppenhaus aus dem Musikvideo zu „Gift“ selber zu machen? Du hättest es ja auch einfach in Auftrag geben können.
Madeline: Ich mache das einfach gerne. Zum einen bin ich einfach ein sehr perfektionistischer Mensch und ich denke dann meistens immer, wenn ich eine Idee
habe, dann habe ich so eine Tendenz, so zu denken, dass das eh nicht so wird, wenn ich das aus den Händen gebe und das jemand anderes machen lasse. Dann werde ich wahrscheinlich 100 Punkte haben, die nochmal geändert werden müssen und dann bin ich sowieso jemand, der gerne Kleinarbeiten macht und einfach alles gibt. Und dann denke ich immer, wenn ich jetzt alles gebe und alles mache, dann kann ich sagen, dass ich einfach alles getan habe, was mir möglich war. Dann bin ich zufrieden, bestenfalls ist mein Team zufrieden, bestenfalls hat man dann auch noch ein tolles Produkt am Ende und so ist das gekommen. Ich habe dann einfach gedacht „Lass uns mal was anderes machen“. Dann ist mir diese Idee gekommen. Dann dachte ich „Wenn ich das jetzt jemandem erkläre, der hat doch gar keine Ahnung, wie der anfangen soll“, also habe ich erstmal eine Liste mit lauter Dingen gemacht, wie ich das anstellen kann und dann habe ich losgelegt, weil ich dachte, wenn ich das jetzt anfange zu erklären, checkt das kein Mensch. Und vor allem hat auch niemand die Zeit.
Ich saß letzten Endes, glaube ich, drei Wochen an dem Puppenhaus und dafür hat einfach keiner in meinem Umfeld oder in meinem Team Zeit. Da zeigen mir alle den Vogel.
Was ist deine Lieblingstextzeile aus dem neuen Album und warum?
Madeline: Das ist natürlich schwierig! Ich glaube, eine meiner Lieblingszeilen ist auf jeden Fall „Ich bin gebaut, um zu eliminieren, was mich kaputt macht, es ist in meiner DNA“, weil das so eine der aufbauendsten Zeilen des ganzen Albums ist und eigentlich auch das ist, wofür das Album stehen soll. Es ist ein Album voller Hürden und voller herausfordernder Situationen, aber die Überschrift des Ganzen ist eigentlich so „Egal was los ist und egal wie schwer es ist, es ist in deiner DNA, das durchzustehen. Du kannst das, du bist stark genug, solange du dir das selbst vor Augen führst“. Das ist meine Lieblingszeile, weil es einfach aufbauen und Mut machen soll.
Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Madeline: (lacht) In fünf Jahren werde ich es sicherlich geschafft haben, mindestens noch ein Album zu machen. Ich werde sicherlich in fünf Jahren auch nochmal auf Tour gegangen sein und wer weiß? Vielleicht bin ich in fünf Jahren Songschreiber anderer Projekte. Ich glaube, ich bin ganz, ganz schlecht, in die Zukunft zu sehen, weil ich weiß, wie ungewiss dieses Business ist. Aber solange ich noch Musik mache, ist alles gut in fünf Jahren.
Ich habe noch eine kleine Aufgabe: Zeichne dich mal bitte selbst! :-)
Madeline: Eieiei! (lacht) Oh Goooott! Das ist wieder so richtig problematisch. Ich bin so ein richtiger Perfektionist und wenn das jetzt nicht so wird, wie ich mir das
vorstelle, dann weine ich innerlich.
Ich werde gefragt, ob wir das Bild auch abdrucken, was ich bestätige.
Madeline: Oh Gooooott! (lacht) Ich bin doch keine Künstlerin!
Madeline zeichnet währenddessen weiter und lacht dabei.
Madeline: Ich bin keine gute Zeichnerin! Ahhh!
Kurze Zeit später...
Madeline: Tadaaa! (zeigt das Bild)
die 22-jährige durch ihre Single „Error“, die der Titelsong von Fack ju Göhte wurde. Mittlerweile hat sie drei Alben („The Unknown“, „Salvation“ und „DNA“) rausgebracht und war schon mit Adel Tawil und Ellie Goulding auf Tour. Ich hatte das große Glück meine absolute (!) Lieblingssängerin auf ihrer „DNA“-Tour in Kaiserslautern zu interviewen!
Ich habe gelesen, dass dein Künstlername „Juno“ mit einem Film zusammenhängt. Wieso hast du dich so genannt?
Madeline: Dieser Film heißt „Juno“ und ist aus 2007 und er ist meine ganze Jugend, mein ganzes Leben mein Lieblingsfilm gewesen. Es ist ein Film, den ich mir immer wieder angucke, wenn ich Stress habe oder wenn es mir nicht gut geht. Dann geht es mir besser und ich fühle mich irgendwie zu Hause. Egal wo ich gerade auf Tour bin oder wo ich gerade bin: Ich gucke den Film und dann fühle ich mich wieder in Ordnung. Juno ist auch in der römischen Mythologie die Frau von Jupiter und dafür habe ich mich immer interessiert und dachte dann: „Warum nicht?“ Es ist mein Lieblingsfilm aller Zeiten und ich interessiere mich für griechische und römische Mythologie – warum nicht?
Du hast mittlerweile – wenn man „Waldbrand“ mitzählt – vier Alben rausgebracht. Was hat sich in dieser Zeit für dich verändert?
Madeline: Alles und gar nichts, glaube ich. Alles im Sinne von dass sich die Musik im Laufe der Jahre sehr verändert hat. Erstens jetzt der Sprachenwandel von Englisch zu Deutsch. Auch die Musik ist ganz anders als am Anfang. Am Anfang war es sehr akustisch und sehr melancholisch. Zu großem Anteil ist es immer noch melancholisch, aber die Musik an sich ist jetzt viel lebendiger und lebensbejahender. Ich selbst bin über die letzten vier, fünf Jahre selbstbewusster geworden in den Lektionen, die ich lernen durfte, in all den Konzerten, die ich spielen durfte. Ich habe einfach wahnsinnig viel gelernt und meine Lektion mitgenommen und versuche, das jetzt auf mein Leben anzuwenden. Ich glaube, ich bin nicht mehr ganz so schüchtern wie mit 13, 14 oder 15 – und das ist ganz gut so! Du hast mittlerweile schon oft erklärt, warum du jetzt deutsche Songs schreibst.
Wird es jetzt dabei bleiben oder möchtest du auch wieder auf Englisch schreiben?
Madeline: Ich glaube, ich kann mich nicht so genau festlegen, weil ich mich in der Vergangenheit durchaus festgelegt und gesagt habe, dass ich nie auf Deutsch
schreiben werde und jetzt guck mal, was wir hier haben (deutet auf ihr viertes Album „DNA“, was auf dem Tisch liegt). Ich glaube, solche Türen komplett geschlossen halten möchte ich nicht. Ich schreibe immer noch sehr, sehr gerne auf Englisch – nicht nur für mich sondern auch für andere Projekte – und wer weiß? Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auch weiter international arbeiten, aber hier erstmal diese deutsche Schiene fahren.
Warum hört man deine Songs so wenig im Radio?
Madeline: Da gibt es ganz viele Faktoren, die da zusammenkommen. Zum einen gibt es heutzutage wahnsinnig viele deutsche Künstler. Es gibt wahn-
sinnig starke Künstler, die quasi das „Erstrecht“ haben, gespielt zu werden. Die Konkurrenz ist wahnsinnig groß und so gesehen bin ich mit meiner deutschen
Musik, die es jetzt erst seit der Waldbrand-EP so richtig gibt, einfach noch ganz am Anfang. Und die Radiosender waren es gewohnt, dass ich auf Englisch schreibe und so unterwegs bin. Da war die Unterstützung auch eigentlich größer. Jetzt muss ich mich von vorne neu herankämpfen. Es gibt Jahreszeiten, da kommen so viele Künstler raus und da ist man als deutscher Künstler sowieso erstmal hinten angestellt. Aber wir arbeiten dran! Eines Tages gibt es Radioredakteure, die sagen „Hey, wir finden das so gut, wir spielen die jetzt trotzdem, obwohl wir Künstler A, B, C, D, E eigentlich auch spielen müssten“. Es gehört wahnsinnig viel Glück dazu, es muss das richtige Timing sein, es muss der richtige Song sein und es müssen irgendwo Lücken frei sein. Wenn einer anfängt zu spielen, machen es die meisten anderen auch. Die ganzen Radiosender gucken an, was die anderen machen und wenn zum Beispiel der MDR, WDR oder SWR das und das spielt, dann sagen die anderen vielleicht „Ach, guck mal, die haben ja den Song von der Madeline Juno gespielt, den spielen wir jetzt auch“. Und so schaukelt es sich irgendwann hoch – oder eben nicht.
Dein Song „Error“ war der Titelsong von Fack ju Göhte. Wie kam es dazu?
Madeline: Das war zum Beispiel auch Glück – ganz großes Glück sozusagen! Vielleicht Hälfte Zufall, Hälfte Glück. Wir haben irgendwann mal einen Anruf
bekommen und der Zuständige für den Soundtrack eben meinte „Wir haben hier eine Szene, bei der wir einen absoluten emotionalen Song von einer weiblichen Künstlerin brauchen und wir haben euren Song gefunden und der hat uns ganz gut gefallen. Hättet ihr Lust, darin vorzukommen und hättet ihr Lust, den Soundtrack zu machen?“ Da haben wir natürlich Ja gesagt und Luftsprünge gemacht. Es war wirklich großes Glück und Zufall – alles auf einmal. Sowas kann man aber auch nicht planen.
Mit 14 Jahren hast du deine eigenen Songs aufgenommen und die dann später auf YouTube veröffentlicht. Wie bist du darauf gekommen, das so zu
veröffentlichen?
Madeline: Ich bin darauf gekommen, weil ich mir keine andere Möglichkeit erschließen konnte. Ich wusste selber eigentlich gar nicht genau, was ich mache. Ich
komme aus einer sehr kleinen Stadt. Ich bin in einem sehr kleinen Dorf im Schwarzwald groß geworden. Da gibt’s nichts und niemanden, der einem so ein bisschen eine Starthilfe geben kann oder irgendwie sagen kann „Mach doch mal das oder mach doch mal das“. Geschweige denn gibt es da großartig Konzerte, die man sich angucken kann und von denen man lernen kann oder sowas. Also habe ich dann irgendwann mal angefangen, YouTube zu gucken und man muss sagen, das war zu einer Zeit, wo YouTube noch gar nicht das war, was es heute ist. Da gab es all diese YouTuber und diese Reichweite noch nicht. Es gab vielleicht zwei, drei deutsche Leute, die da ihre Channels hatten und ich habe dann angefangen, Musik zu machen, weil ich dachte, dass es das so noch gar nicht gibt. Das war eigentlich so der Hauptgrund, dass ich das irgendwie so zu meinem gemacht habe. Aber warum ich das gemacht habe, kann ich gar nicht sagen. Ich hatte einfach Lust drauf.
Wenn du Songs schreibst, hast du dann erst die Melodie und dann den Text oder andersrum? Und wie bildest du dir dann das, was fehlt?
Madeline: Sehr gute Frage! Es kommt immer drauf an. Ich würde sagen, meistens kommt eines mit dem anderen gleichzeitig. Meistens habe ich ein direktes Gefühl und weiß irgendwie tief in mir drin, was ich sagen will. Entweder beschäftigt mich irgendwas so sehr, dass ich den Drang empfinde, das aufzuschreiben. Dann weiß ich sowieso, was heute dran ist. Oder ich habe vielleicht schon seit zwei Tagen eine Melodie im Kopf und setze mich dann hin, habe dann aber auch gleichzeitig schon ein Gefühl, was ich schreiben will. Und dann wiederum gibt es Male, da setze ich mich einfach hin und finde erst die Melodie und packe dann den Text drauf – oder andersrum. Wenn man dann zum Beispiel eine leere Stelle hat, eine Zeile fehlt oder es fehlt zum Beispiel der C-Part - das bedeutet, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Chorus ein Part kommt, der nochmal ganz anders ist – das ist dann immer nochmal eine andere Arbeit. Wenn man eine Strophe und die Melodie hat, hat man quasi schon das Layout für die zweite Strophe – man muss nur den Text finden. Und für den Chorus geht das genauso. Nur für diesen C-Part muss man komplett neu denken. Meistens mache ich das so, dass ich mir anschaue, was ich schon habe, wohin meine Geschichte bis jetzt geht, was ich bis jetzt gesagt habe ... und was fehlt mir noch? Was möchte ich noch sagen? Was habe ich noch nicht gesagt oder welche Moral oder welcher Abschluss soll dieser Song haben? Und dann packe ich das da rein und so fügt sich das zusammen – wie so ein Puzzle.
Wie lange dauert die Vorbereitung auf eine solche Tour?
Madeline: Dieses Mal haben wir sehr, sehr ausführlich und auch sehr lange geprobt. Wir haben uns, glaube ich, zwei Mal jeweils eine Woche lang getroffen und dann auch vor der ersten Show nochmal einen ganzen Tag lang mit unserem Soundtechniker geprobt. Das war jetzt die größte Vorbereitung. Jeder hat sich für sich vorbereitet, bevor wir uns überhaupt getroffen haben. Jeder hat alles Mögliche geübt und gelernt und ich habe diese Lichter gebaut – das hat mich auch nochmal einen Monat gekostet. Wir - beziehungsweise ich - haben das ganze Design für den Backdrop (Anm. d. Red.: Hintergrund) gemacht – das hat mich auch nochmal Zeit gekostet. Aber alles in allem so zwei, drei Wochen mit täglichen Proben.
Nimmst du dir Dinge von zu Hause mit auf Reisen, die du dir dann zum Beispiel ins Hotelzimmer stellst?
Madeline: Ich habe eigentlich immer diese Juno-DVD dabei. Dieses Mal habe ich sie vergessen. Ich habe die eigentlich bei jeder Tour dabei, einfach für den Fall, dass ich total emotional bin. Dann kann ich die einfach in meinen Laptop einschmeißen und mich dann wieder gut fühlen. Es sind so kleine, banale Dinge, wie meine Lieblingsflauschsocken von meiner Oma oder mein Lieblingsschal von meiner Mama. Und das reicht schon, um mir einen Halt zu geben.
Wenn du dann wieder von einer längeren Reise nach Hause kommst, hast du dann ein Ritual, das du machst?
Madeline: Bis jetzt war es bei jeder Tour eigentlich so, dass wir meistens nach der Tour erstmal nichts hatten. Dann habe ich mir erst gesagt „Okay, jetzt fahre ich nach Hause“. Seit ich 18 bin – ich bin jetzt 22 – lebe ich nicht mehr bei meinen Eltern. Sie leben im Schwarzwald und ich lebe in Berlin. Allein das ist schon eine große Strecke. Dann sieht man sich sowieso schon nicht so oft und dann fahre ich nach einer Tour meistens nach Hause. Für ein paar Tage oder bestenfalls eine Woche und mache echt so ein bisschen Auszeit. Mit einer Tour geht meistens so ein Jahr zu Ende. Ein Jahr voller Songwriting, voller Promo und TV und Radio und dann eine Tour und dann brauche ich ein bisschen Auszeit.
Wie viele Tage im Jahr bist du unterwegs?
Madeline: Das ist auch sehr unterschiedlich. Letztes Jahr war ich gar nicht so viel unterwegs. Dieses Jahr ging es. Wenn es bombastisch läuft, kann man schon so 100 oder 120 Tage im Jahr unterwegs sein – vielleicht sogar mehr, vielleicht weniger. Kommt immer drauf an. Dieses Jahr war ich viel auf Reisen, war dann zum Beispiel eine Woche lang in England oder eine Woche lang in Norwegen, um dort zu schreiben und zu arbeiten. Aber ich glaube, wenn es gut läuft, so 100 bis 120 Tage – mal weniger, mal mehr.
Wirst du oft auf der Straße erkannt?
Madeline: Auch das ist sehr unterschiedlich. In meiner Heimat ja, in Berlin auch. Jetzt immer mehr, was ich nicht geglaubt hätte. In Hamburg auch. Aber im Rest eher nicht so. Ich glaube, da bin ich noch zu Indie sozusagen.
Findest du das gut, wenn du erkannt wirst?
Madeline: Ich bin da sehr zwiegespalten. Ich freue mich natürlich sehr, weil ich dann immer denke „Ach, cool! Ist ja verrückt, dass man zu mir ein Gesicht hat und dass man mich erkennt“. Andererseits kann es manchmal auch ein bisschen gruselig sein. Ich weiß zum Beispiel, dass es in Berlin ein paar Leute gibt, die mittlerweile wissen, wo ich wohne oder wissen, wer meine Freunde sind. Wenn das nur mich betrifft, ist es ja okay. Ich weiß ja, wie ich damit umgehe. Aber manchmal geraten solche Dinge außer Kontrolle und man denkt „Das wäre jetzt irgendwie cool, wenn keiner wüsste, wer ich bin“. Aber dann wiederum passiert
das so selten im Verhältnis, dass es eigentlich alles machbar und durchstehbar ist.
Wie bist du darauf gekommen, das Puppenhaus aus dem Musikvideo zu „Gift“ selber zu machen? Du hättest es ja auch einfach in Auftrag geben können.
Madeline: Ich mache das einfach gerne. Zum einen bin ich einfach ein sehr perfektionistischer Mensch und ich denke dann meistens immer, wenn ich eine Idee
habe, dann habe ich so eine Tendenz, so zu denken, dass das eh nicht so wird, wenn ich das aus den Händen gebe und das jemand anderes machen lasse. Dann werde ich wahrscheinlich 100 Punkte haben, die nochmal geändert werden müssen und dann bin ich sowieso jemand, der gerne Kleinarbeiten macht und einfach alles gibt. Und dann denke ich immer, wenn ich jetzt alles gebe und alles mache, dann kann ich sagen, dass ich einfach alles getan habe, was mir möglich war. Dann bin ich zufrieden, bestenfalls ist mein Team zufrieden, bestenfalls hat man dann auch noch ein tolles Produkt am Ende und so ist das gekommen. Ich habe dann einfach gedacht „Lass uns mal was anderes machen“. Dann ist mir diese Idee gekommen. Dann dachte ich „Wenn ich das jetzt jemandem erkläre, der hat doch gar keine Ahnung, wie der anfangen soll“, also habe ich erstmal eine Liste mit lauter Dingen gemacht, wie ich das anstellen kann und dann habe ich losgelegt, weil ich dachte, wenn ich das jetzt anfange zu erklären, checkt das kein Mensch. Und vor allem hat auch niemand die Zeit.
Ich saß letzten Endes, glaube ich, drei Wochen an dem Puppenhaus und dafür hat einfach keiner in meinem Umfeld oder in meinem Team Zeit. Da zeigen mir alle den Vogel.
Was ist deine Lieblingstextzeile aus dem neuen Album und warum?
Madeline: Das ist natürlich schwierig! Ich glaube, eine meiner Lieblingszeilen ist auf jeden Fall „Ich bin gebaut, um zu eliminieren, was mich kaputt macht, es ist in meiner DNA“, weil das so eine der aufbauendsten Zeilen des ganzen Albums ist und eigentlich auch das ist, wofür das Album stehen soll. Es ist ein Album voller Hürden und voller herausfordernder Situationen, aber die Überschrift des Ganzen ist eigentlich so „Egal was los ist und egal wie schwer es ist, es ist in deiner DNA, das durchzustehen. Du kannst das, du bist stark genug, solange du dir das selbst vor Augen führst“. Das ist meine Lieblingszeile, weil es einfach aufbauen und Mut machen soll.
Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Madeline: (lacht) In fünf Jahren werde ich es sicherlich geschafft haben, mindestens noch ein Album zu machen. Ich werde sicherlich in fünf Jahren auch nochmal auf Tour gegangen sein und wer weiß? Vielleicht bin ich in fünf Jahren Songschreiber anderer Projekte. Ich glaube, ich bin ganz, ganz schlecht, in die Zukunft zu sehen, weil ich weiß, wie ungewiss dieses Business ist. Aber solange ich noch Musik mache, ist alles gut in fünf Jahren.
Ich habe noch eine kleine Aufgabe: Zeichne dich mal bitte selbst! :-)
Madeline: Eieiei! (lacht) Oh Goooott! Das ist wieder so richtig problematisch. Ich bin so ein richtiger Perfektionist und wenn das jetzt nicht so wird, wie ich mir das
vorstelle, dann weine ich innerlich.
Ich werde gefragt, ob wir das Bild auch abdrucken, was ich bestätige.
Madeline: Oh Gooooott! (lacht) Ich bin doch keine Künstlerin!
Madeline zeichnet währenddessen weiter und lacht dabei.
Madeline: Ich bin keine gute Zeichnerin! Ahhh!
Kurze Zeit später...
Madeline: Tadaaa! (zeigt das Bild)
Foto 1: Madeline Juno, Foto 2: Madeline & Jana, Foto 3: Backdrop, den Madeline selbst gestaltet hat, Foto 4: Madeline & Jana, Foto 5: Madeline's Zeichnung von sich selbst
Fotos: Jana Heß, schwaebische.de
Fotos: Jana Heß, schwaebische.de
"Gift"-Musikvideo mit dem Puppenhaus, das Madeline selbst gestaltet hat